Schlafsaal der 3. Klasse

Kendra nickte ihr nur langsam zu. Sie war gerade nicht in der Stimmung um sich zu wundern, auch, wenn dies offensichtlich eine Gabe der Art war, die Kendra besonders faszinierend fand. Sie war einfach zu müde und wünschte das Ende des Tages herbei, wollte das Weihnachten einfach nur möglichst schnell vorbei war.

Ich schaute leicht bedrückt zu Boden als das Mädchen mich anfuhr, von wegen welche Sprache das war und das sie nichts verstanden hatte aber ich konnte beim besten Willen nicht viel dafür. Als Krissa die beiden vorstellte und auch sagte wer ich war, konnte ich ihr innerlich nicht genug dafür danken. Wer weiß ob ich das hinbekommen hätte, momentan langte es gerade so für ein "Nice to meet you*" in einem aus Indien stammenden Englischen Dialekt. Blieb nur zu hoffen das die es mir nicht übel nahmen wenn ich dauernd die Sprachen wechselte.

*Schön euch kennen zu lernen

Kendra nickte ein zweites Mal, doch dann wurde ihr klar, dass sie etwas sagen musste, um keinen gar so schrecklichen ersten Eindruck zu machen: "No, it's nice to meet YOU. The kind of gift you have is realy fascinating!", erklärte sie mit einem starken britischen Akzent, dann zwang sie sich zu einem Lachen, auch wenn ihr absolut nicht danach war, sprang auf und ging zu ihr "Das mit den Sprachen wird schon, ich hab meine Gabe auch nicht unter Kontrolle, also verzeih bitte, wenn ich deine Hand nicht schüttel oder so, aber da kommt es meistens zu Verbrennungen und ich finde ja nicht, dass du schon am ersten Tag ins Krankenzimmer gehen solltest....auch wenn das sicherlich noch geschehen wird." Sie lächelte entschuldigend.

Ich schaute leicht verblüfft als Kendra mir auf Englisch antwortete, lächelte dann aber. "Yeah, but it's kind of a burden...*" antwortete ich. "You can speak Irish..or whatever is spoken here. I understand every language...and when I here them once I can also spoke them...but mostly not the right one.*" erklärte ich was es mit meiner Gabe auf sich hatte. Einfach damit sie bescheid wussten und sich nicht wunderten. "Where can I sleep?*" fragte ich dann, nicht das ich noch irgendein Bett nahm das schon wem gehörte...und einen Platz für meine wenigen Sachen brauchte ich auch noch.

*Ja, aber es ist irgendwie auch eine Last
*Du kannst Irisch reden..oder was auch immer hier gesprochen wird. Ich verstehe jede Sprache...und wenn ich sie einmal gehört habe kann ich sie auch sprechen...aber meistens nicht die richtige.
*Wo kann ich schlafen?

Kenni lächelte und deutete auf eines der leeren Betten "Dort drüben.....versuch eifnach wenigstens bei Englisch oder so zu bleiben, wir weisen dich dann schon darauf hin, wenn du wieder eine ganz falsche Sprache hast. Das kriegst du aber sicher bald in den Griff, kein Thema."

Ich nickte und setzte mich auf das freie Bett. "Je vais essayer*" entgegnete ich nur und merkte diesmal zumindest selber das die Sprache nicht stimmte. "Ich versuchs.." probierte ich es noch mal leicht seufzend und hoffte einfach das es stimmte. Klang zumindest so als würde es die richtige sein. "Englisch ist zum Glück die meistgesprochene Sprache...solang ich nur den Dialekt wechsel bin ich schon glücklich. Gibt gute und schlechte Tage..." Wobei schlecht hieß das mich keiner mehr verstand weil ich entweder in jedem Satz wechselte oder irgendwelche Dialekte sprach in denen kaum jemand überhaupt sprach. Irgendwas das ich nur zufällig aufgeschnappt hatte.

*Ich werde es versuchen (französisch)

Weder Lu noch Krissa mischten sich in das Gespräch ein. Krissa, weil sie sich freute, dass die beiden sich so gut verstanden, und Lu, weil sie der Neuen noch weniger traute als dem Rest der Schüler. Auf der anderen Seite überlegte sie, ob die Superiors Virginia nicht besser ausgebildet hätten, wenn sie zu ihnen gehörte. Außerdem war sicher überprüft worden, ob sie eine Feindin war. Und trotzdem, Lus Misstrauen blieb, und auch ein bisschen Verwunderung darüber, dass Kenni so...freundlich war...Schließlich fragte sie unvermittelt: "Warum kommst du jetzt erst, nach dem ersten Halbjahr?"

Ich überlegte einen Moment ich ich Lucies plötzlicher Frage antwortete und konzentrierte mich auch darauf in einer Sprache zu bleiben damit es nicht zu Missverständnissen kam. "Eigentlich sollte ich schon seit Jahresanfang dabei sein..aber das hat nicht so ganz geklappt. Wir waren den Sommer über in Ägypten und wollten auf dem Weg hierher nur durch Syrien weil Dean dort seinen nächsten Job hatte und vielleicht lange dortblieb..aber wir sind dann irgendwie zwischen die Fronten von USA und der dortigen Bevölkerung geraten und kamen nicht mehr raus. Samantha wurde von ihrem Arbeitgeber rausgeholt und zu ihrer Arbeit nach Sydney gebracht, aber die konnten für Dean und mich nicht viel tun. Wir wollten versuchen irgendwie über Arabien oder so nach Russland zu kommen, nur war mein Pass nicht dafür ausgelegt, der musste erst neu aus New York beantragt werden. Und eh das ganze durch war verging eine ganze Weile..dann waren wir zwar endlich in Russland und wollten mit dem Flugzeug über Indien zurück nach Japan weil wir da zuletzt gewohnt haben und meine ganzen Sachen noch da waren aber die Flugbehörde hatte Streiks weswegen wir auch festsaßen..letztendlich haben wir ein Schiff nach Osaka genommen aber das dauerte natürlich länger. Und dann kam Samantha auch wieder dazu und wir mussten packen weil sie jetzt in Cambodscha arbeitet und Dean mit dem Rest vom Haushalt nach Kanada umgezogen ist. Auf dem Weg dahin hat er mich dann hier abgesetzt" beendete ich meine Erzählung und schloss erstmal kurz die Augen. Zumindest hatte ich es geschafft in der Sprache zu bleiben, selbst wenn ich 5 verschiedene Dialekte benutzt hatte aber wahrscheinlich würden sie mir nicht glauben...das ganze klang ja auch nicht gerade glaubwürdig, auch wenn es so gewesen war.

Bei der Geschichte runzelte Kenni die Stirn, dann seufzte sie erleichtert. "Lu entspann dich, sie ist keine. Unmöglich, dann fiele es ihr leichter in einer Sprache zu bleiben und die Geschichte klänge weniger aufsehenerregend und abenteuerlich."

"I am no what?*" hakte ich in starken Südstaatlerdialekt nach. Worüber redeten die den bitte? Ich war doch kein Spion oder was weis ich was sie dachten das ich es wäre. Und dafür das die Geschichte so abenteuerlich klang konnte ich auch nichts und sollte es mir leichter fallen in einer Sprache zu bleiben wäre ich darüber mehr als glücklich.

*Ich bin kein was?

"Das kannst du nicht wissen", widersprach Lu scharf und ignorierte die Frage. "Vielleicht wollen sie genau das bezwecken - dass wir genau so denken. 'So etwas würden sie doch niemals tun...' Und dann tun sie es eben doch, aber keiner kommt drauf, dass sie es waren, weil keiner es von ihnen erwartet! Hättest du nicht in den Sommerferien auch noch gesagt, 'Unöglich. Jack ist keiner von ihnen'? Hätten wir das nicht ALLE getan?! In den ganzen fünf Jahren hat keiner Verdacht geschöpft, und jetzt glaubst du, dass sie keine von ihnen sein kann, obwohl du sie noch keinen Tag kennst?!"

Ich hörte irritiert zu und versuchte dann vorsichtig sie zu beschwichtigen. "Listen, I don't know what happend to you all but it must be something terribly when you don't trust anyone and I'm sorry for whatever happened...but it was not my fault. I wouldn't do anything to anybody...thats not how I am.*" Instinktiv war ich auch wieder in ein New Yorker Englisch zurück gefallen, woran man meistens erkannte das mir etwas ernst war, es war ja die Sprache mit der ich aufgewachsen war. Aber viel mehr als beteuern das ich nichts getan hatte konnte ich auch nicht tun.

*Pass auf, Ich weis nicht was euch allen passiert ist aber es muss etwas furchtbares gewesen sein wenn du niemandem mehr vertraust und es tut mir wirklich leid was auch immer passiert ist...aber es war nicht meine Schuld. Ich würde niemandem irgendwas antun...so bin ich einfach nicht.

Kendra sah Lucie an "Ich werde nicht jedem Menschen, der mir begegnet misstrauen! Was denkst du denn, was unsere Rektorin den lieben langen Tag lang macht? In der Nase bohren? Denkst du nicht, sie würde nach allem, was dieses Schuljahr so passiert ist, erstmal kontrollieren, was an der Geschichte stimmt und was nicht`? Hast du so wenig vertrauen in sie, oder fürchtest du, Sie könnte auch einer sein? Ich werde nicht behaupten, dass ich dich verstehe, denn das kann ich ja wahrscheinlich gar nicht, aber ich denke nicht, dass ein Superior sich mitten im Jahr mit einer solchen Geschichte einschleußen könnte, das würde nicht zu ihrer Vorgehensweise passen und klar, das könnte eine Täuschung sein....." Sie blickte Virginia an und lächelte leicht "Aber das glaub ich nicht. Nenn's dumm, ich nenn's ein Bauchgefühl."

"Ich hätte eher naiv gesagt...Aber du kannst glauben, was du willst. Im Übrigen hab ich ihr nichts unterstellt, ich finde nur, du solltest nicht so vorschnell entscheiden, wem du traust..."

"Vielleicht sollte ich das....aber wenn alle so wären, hätten Neue einen ziemlich miesen Start und ganz ehrlich: dafür bin ich dann doch etwas zu nett. Lieber verbrenn ich mich am Ende als mit vorwerfen zu lassen, ich wäre voreingenommen." Dann wandte sie sich demonstrativ von Lucie ab und sah Virginia wieder an "Gehts dir soweit gut? Ich meine nach so einer langen Reise kanns schonmal sein, dass man ziemlich fertig ist....willst du vielleicht lieber erstmal schlafen oder was essen oder so?"

"Als hättest du dich jemals verbrannt", murmelte Lu, verdrehte die Augen und streckte Kenni hinter ihrem Rücken die Zunge heraus.

Kendra sah Lucie über die Schulter hinweg an "Ich denke doch, dass ich Redewendungen nutzen darf, auch wenn sie bei mir nicht zutreffen??", erkundigte sie sich trocken.

"Es war blöd formuliert", informierte Lu sie. "Aber ich kann es dir wohl kaum verbieten, und was ich dir rate, ignorierst du ja sowas..."

"Nein, tue ich wirklich nicht. Du bist im Moment nämlich leider in keiner Verfassung in der ich deine Ratschläge so ganz ernstnehem kann, zu mindestens nicht bei jedem Thema", erklärte die Feuerbändigerin sachlich.

"Und du solltest an denen Bruder denken und nochmal sagen, dass es unmöglich ist. Freunde dich nur mit ihr an, wenn es dich als nächstes erwischt, geschiehts dir nur recht", fauchte Lu.

Sie hob eine Augenbraue "Ja, darum mache ich mir dann in fünf Jahren Sorgen, denn wenn sie wieder so schlau sind und dasselbe nochmal machen, dann werden sie wohl wieder warten."

"I'm fine.*" beruhigte ich Kendra nur als sie fragte ob es mir gut ging. "Und wenn ich jetzt schlafe bin ich morgen übermüdet, das kenn ich schon" Wir waren oft genug in andere Zeitzonen umgezogen das ich wusste, dass ich heute bis abends wachbleiben musste und wenn ich noch so lange vorher schon wach war sonst käme ich nicht in einen normalen Rhythmus rein. Während die beiden diskutierten beschloss ich mich rauszuhalten, viel mehr als wiederholen was ich vorhin gesagt hatte konnte ich ja doch nicht und fing an meine Sachen einzuräumen.

*Mir gehts gut.

"Als wüsstest DU, was sie tun würden!", erwiderte sie aufgebracht. Sollte Kenni doch weiter glauben, dass sie jedem vertrauen konnte. Sollte sie doch. Und wenn sie dann irgendwann mal so richtig enttäuscht und verraten worden war...dann würde sie verstehen. Aber sie hatte keine Lust darauf, jetzt darüber zu diskutieren. Warum auch. Es brachte sowieso nichts.
Schließlich warf sie ihr noch einen verächtlichen Blick zu, murmelte etwas in Richtung "Bis nachher" in Richtung Krissa und Virginia und verließ den Raum, wobei sie sich behrrschen musste, nicht die Tür hinter sich zuzuknallen.

--->Gang im 1. Stock

Kendra verdrehte nur die Augen. Das war ja ziemlich typisch für sie. Kopfschüttelnd wandte sie sich dann wieder an Virginia "Kann ich dir irgendwie helfen, also beim Auspacken?", erkundigte sie sich mit dem tapferen Versuch eines freundlichen Lächelns.

"Bin schon fast fertig..ich besitz nicht allzuviel" antwortete ich nur und kramte in meinem Beutel kramte und schließlich anstelle eines Familienfotos einen gerahmten Zeitungsartikel aufs Nachtkästchen stellte. Ich hatte zwar Dean und Samantha wirklich gerne, aber sie waren eben nicht meine richtigen Eltern und dieser Zeitungsartikel der verkündete das auf Roanoke Island vor der Westküste North Carolinas ein nur wenige Monate altes Baby im Wald an der Virginia Dare Memorial Bridge gefunden wurde war nunmal alles was ich zu meiner Herkunft wusste und kaum mehr als nichts. Es gab keine Hinweise auf Eltern, man wusste nicht mal ob ich überhaupt aus Amerika stammte und die Vermutungen das ich ein Indianerkind war wurden schnell vergessen als ich größer wurde und definitiv nicht wie ein Indianer aussah.