Schlafsaal der 3. Klasse

"Wir...du und Joon? Und GEGEN SEINEN WILLEN?!?"

"Ja, Joon und ich. Aber wir haben ihn nicht gezwungen, sondern überredet."

"Überredet. Ja klar."

"Wir haben ihm gesagt, dass Clarisse ein Date für heute Abend hat."

"Das hätte ihn nicht überzeugt. "

"Keine Ahnung was es dann war. Ich glaub....er ist vor sich selbst erschrocken....er war gestern kurz davor mich zu schlagen..."

"Er wollte nicht,dass ihr ihm helft, nicht wahr? Das würde nicht zu seinem sonstigen Verhalten in letzter Zeit passen. Ich meine, er hat auf einem Baum gelebt - und jetzt lässt er sich helfen, weil seine Ex eine Verabredung hat? Das ist unrealistisch. Dass er dich schlagen wollte, weil du ihm helfen willst, passt viel besser zu ihm - und das ist ausnahmsweise nicht negativ gemeint."

"Ja....genau genommen hat er nicht zugestimmt .... MR Morgan hat es einfach getan."

"Das ist verboten. "

"Ja, das ist es", stimmte Kenni zu. "Ich habe ihn gebeten, es in jedem Fall zutun....es war nicht richtig....ich bin nicht stolz darauf...aber manche Leute, vor allem Marcel, muss man zu ihrem Glück zwingen." Sie sah ihre Hände an und sah dann wieder zu Lucie auf "Ich würde es jeder Zeit wieder tun!"

"Ich weiß", sagte Lu nur.

Kenni sah aus dem Fenster. Weiß. Alles weiß. Irgendwie war der Winter so eintönig. Wie ein unbemaltes Blatt, dass erst durch den Frühing wieder Farbe bekam.
Doch Kendra mochte das. Hier gab es weniger Pflanzen, die sie zerstören konnte. Sie hatte schon oft überlegt, ob sie später einmal in die Antarktis ziehen sollte. Dort könnte sie alleine Leben. Die Kälte würde ihr nichts ausmachen und sie könnte dort weder Menschen noch Pflanzen noch Tiere verletzten. Ja, ein Leben in Einsamkeit. Sie könnte ewig lesen, tiefgründige Gedanken fassen und sie vielleicht sogar aufschreiben und annonym veröffentlichen.

"Vielleicht ist es aber besser, wenn du ihn selbst entscheiden lässt - auch wenn du es zu seinem eigenen Wohl getan hast. Ich meine...er und ich sind uns in dieser Sache sehr ähnlich, wie man an den letzten Monaten gesehen hat...und ich weiß aus eigener Erfahrung und aus den Gesprächen mit ihm, dass sowas...lästig ist...man will allein sein, in Ruhe gelassen werden - in meinem Fall von potenziellen Verrätern und in seinem von...Metall, der Materie, mit der er...Verrat verbindet...durch sich selbst... durch andere....Schmerz...zu gleichen Teilen meinen und deinen..."

"Ich weiß....ich hätte mir auch so sehr gewünscht ihm die Wahl lassen zu können...aber ich hatte auch Angst, dass unsere Eltern irgendwann die Geduld verlieren und -"
Kendras Kopf drehte sich abrupt vom Fenster weg, als sie begriff, was Lucie zuletzzt gesagt hatte.
"WAS meinst du it meinem Schmerz?!"

"..." Lu zögerte. Sie durfte es nicht erzählen und sie wollte im grunde auch nicht.

Kendra blieb unerbittlich.
"Lucie. Was meinst du damit, wenn du sagst, dass Marcel Metall nicht mehr ertragen konnte, weil er es mit Verrat und unserem, also meinem und deinem, Schmerz verbindet?!"

"Sie hat ihm das Gefühl gegeben, dass er für den Schmerz verantwortlich war, der mir zugefügt wurde", beantwortete sie einen Teil der Fragen, ohne sich anmerken zu lassen, was dabei in ihr vorging.

"Und...und was hat das mit Metall zu tun?", hakte Kenni weiter nach, auch wenn sie allmählich eine Vermutung hatte, die es ihr kalt den Rpcken hinunter laufen ließ.

Lu zog schweigend ihren Ärmel hoch, sodass sie die Narben sehen konnte. "Messer."

Kenni sog scharf Luft ein. Sie hatte nie versucht sich auch nur vorzustellen, wie gefoltert worden waren, vor allem deshalb, weil sie davon überzeugt war, ihm gar nicht helfen zu können, wenn sie sich auch noch mit solchen Vorstellungen quälte.
"Aber....aber ihr habt doch Adamantiumhandschellen getragen!", sagte sie nun hartnäckig "Er KONNTE doch gtar nicht bändigen! Wie kanne er auf die Idee kommen, dass er Schuld an deinem schmerz ist?"

Lu zog den Ärmel wieder runter und zuckte mit den Schultern.

"Und.....was meintest du als du sagstes, sie wäre für deinen, also meinen Schmerz verantwortlich?", fragte sie nun doch ziemlich verwirrt.

"Er...hat so für mich empfunden, als wäre ich...du."

"D-das ist nicht möglich...das geht nicht" sie schüttelte vehement den Kopf. Sie wollte es nicht glauben. Sie wusste, dass Marcel Metall immer verteidigt hatte. Er hatte gesagt, dass Metall nicht böse war, dass man es aber zu bösen Zwecken missbrauchen könnte und er das nie tun würde. Und dann das?

"Wie du siehst, gehts anscheinend doch", entgegnete Lu bitter.