Auf dem Dach

"Das stimmt auch wieder.",sagte ich. "Was ist dir aber jetzt im Moment lieber?"

Kendra sah ihn an und ließ ihren Blick dann über den Wald schweifen. "Ich weiß es nicht."

"Wenn du es weißt, lass es mich wissen..",sagte ich und ging dann. Ich hoffe sie kann meine Worte richtig deuten..., dachte ich und machte hinter mir die Tür zu, blieb jedoch vor ihr stehen.

Kendra legte sich hin. Sie wusste es wirklich nicht. Sie wollte alleine sein, solange sie Menschen um sich hatte und wollte Menschen um sich haben wann immer sie alleine war. Sie konnte sich nicht mehr darauf verlassen, was sie fühlte. Sie setzte sich auf. Sie wusste nichts mit sich anzufangen, also begann sie leise zu singen, so wie immer, wenn sie sich verloren fühlte und wie immer war es das eine, viel zu emotional klingende, Lied, dass ihr selbst meist die Tränen in die Augen trieb: 'Hallelujah'

Ich hörte ihr zu und summte mit, jedoch in einer tieferen Stimmlage.

Kendra hörte es nicht. Sie spürte wie ihr ein paar Tränen die Wangte runterliefen. Sie wusste, wie kitschig das alles war, verachtete sich auch dafür - doch es tat ihr gut.

Sie weint...,dachte ich mir. Man hörte es klar an ihrer Stimme.

Irgendwann hörte sie auf zu singen, mitten im Lied, und legte ihren Kopf auf ihre Knie, die sie angezogen hatte. Sie wollte nicht mehr weinen, wollte nicht mehr traurig sein. Es war Weihnachten. Sogar Marcel hatte sich aufgerafft, das musste sie auch schaffen. Sie hatte nicht halb so sehr gelitten, eigentlich war es nur ihre eigene Dummheit gewesen....Sie seufzte schwer.

Ich überlegte kurz und beschloss dann runter zugehen. Ich werde sie nicht zwingen, wenn sie will, wird sie zu mir kommen....hoffe ich jedenfalls.., dachte ich und ging die Treppe hinunter und in den Speisesaal.

Kendra richtete sich auf und sah die Tür an. Dann lächelte sie. Nein. Es gab keinen Jungen auf dieser Welt, der es Wert wäre, ihm nachzulaufen. Absolut keinen. Würde er jetzt, in diesem einen Moment kommen und sie nocheinmal fragen....sie würde wohl ja sagen. Doch sie bezweifelte es. Sie würde ihm mit Sicherheit nicht nachrennen, sie hatte von klein auf gesagt bekommen, dass sie sich rar machen müsse, um interessant zu sein. UNd das hatte sie nie getan. So weit war sie damit gekommen. Auf einem Dach sitzend und weinend. Während ihre Freundinnen sich unten vergnügten. Ein paar hatten sie gefragt. Sogar einer aus ihrem Jahrgang, doch sie hatte zu keinem ja gesagt. Sie hatte ja nicht hingehen wollen. Ob diese Jungen wohl jemand anderen gefunden hatten? Kendra schüttelte lächelnd den Kopf. Möglich wäre es wohl.
Sie stellte sich an den Rand des Dachs und sprand in die Dunkelheit. Erst Meter vor dem Aufprall, breitete sie die Feuerschwingen, die so viel weniger praktisch waren wie echte, aus und flog wieder hoch, stellte sich in die Mitte des Dachs und begann einfach Figuren zu üben und sich an schwierigere heranzutasten. Wenn sie schon nichts anderes tun konnte, konnte sie wenigstens trainieren.

Kurz blieb ich noch einmal stehen, schüttelte jedoch nur den Kopf und ging wieder weiter.

Joon-------->Speisesaal

Kendra:

Lange Zeit trainierte die Feuerbändigerin unermüdlich. Sie steigerte sich in ihren eigenen Übungen immer mehr, doch irgendwann konnte sie schlicht und ergreifend nicht mehr. Müde setzte sie sich wieder auf Kante des Dachs. Training hatte viele Effekt. Es half einem, seinen eigenen Körper, besser kontrollieren zu können, es gab einem überhaupt etwas zu tun, sorgte dafür, dass man sich sicherer fühlte und in Kendras Fall bewirkte es, dass sie nachdachte. Über alles, was gesagt wurde. Wieso sie dort stand, wo sie stand, wieso sie tat, was sie tat.
Es gab an der Schule jährlich nur eine Hand voll Bälle. Zwei, vielleicht drei, wenn es hoch kam. Kendra hatte sie immer geliebt und sich immer prächtig amüsiert - ob sie nun in einer Beziehung gewesen war oder nicht, das hatte keine Rolle gespielt. Der Ball zu Weihnachten war auch immer der feierlichste gewesen. Alle waren ausgelassen gewesen, denn sie hatten nun erstmal keinen Unterricht mehr, hatten Ferien, würden am nächsten Tag Geschenke auspacken können und alle Sorgen mit der Schule erst einmal vergessen. Mehr denn je hatte sie sich normal gefühlt, wenn sie unter so vielen anderen, unnormalen Menschen gefeiert hatte. Und wieso ging sie heute nicht hin?
Wegen Jake?
Er hatte ihr das Herz gebrochen...wenigstens sagte sie das immer. Tatsächlich hatte sie ihn schon nicht mehr geliebt, als die Ferien begonnen hatten....sie hatte aber dennoch Angst gehabt, ihn zu verlieren, wieso?!
Sie seufzte und stand auf. Sie brauchte dringend eine Dusche.
gt: Waschsaal, 2. Stock